Die von ihm genannten Effekte der Stressreduktion und des Aufbaus positiver Stimmung sind beim Menschen wie beim Hund derselben hormonellen Prozessen unterworfen: das Stresshormon Cortisol wird abgebaut und das Bindungshormon Oxytocin wird ausgeschüttet. Das hat entsprechende Auswirkungen auf die Therapiemöglichkeiten verhaltensauffälliger Hunde:
- Ängstliche Hunde machen die Erfahrung, dass Berührungen und Nähe zu
Menschen aber auch anderen Hunden angenehm sein können und gut tun. Ob
man sich bei einem Hund des sogenannten Floodings bedient oder den Hund
behutsam Stück für Stück in die Welt der Berührungen und des
Körperkontakts einführt, hängt von dem Angstzustand des Hundes ab, den
Fähigkeiten eines Trainers und (leider auch) seiner ideologischer
Grundhaltung.
Flooding ist eine sehr effiziente Möglichkeit, Ängste und Blockaden zu lösen. Beim Flooding wird ein Hund einem gefürchteten Reiz bewusst ausgesetzt. Da dies mit einer hohen Belastung des Hundes einhergeht, bedarf es besonderen Einfühlungsvermögens, damit eine solche Therapie positive und nicht negative Effekte hervorbringt und gehört in erfahrene Hände. Hundehaltern ist davon abzuraten.
Das Festhalten und Fixieren eines Hundes mit den eigenen Händen ist eine besondere Art des Floodings. Dadurch kann in speziellen Fällen ein Effekt tagelangen Trainings zwecks Vertrauengewinnung durch eine einzige Einheit erreicht werden. Ich habe selbst solche kleinen Wunder schon erlebt: ein Hund, der niemanden an sich heran liess und geradezu panisch auf Annäherungen reagierte, war nach 30 Minuten so vertrauensvoll, dass er danach von sich aus mit gesenkten Kopf, mit Respekt also aber ohne Angst, auf mich zu kam und bei anschließender vorsichtiger Berührung meinerseits sich auf den Rücken legte und überall streicheln liess. Von entscheidender Bedeutung dabei war, dass ich ihn zuvor so lange festgehalten habe bis er sich völlig entspannte und jegliche Gegenwehr aufgab.
Dennoch ist Flooding keinswegs immer die beste Wahl. - Auch bei
angstmotivierten Aggressionen oder solcher aufgrund von
Sozialisierungsdefiziten, wie sie bei Auslandshunden häufiger
anzutreffen sind, wird die gespeicherte Information durch wiederholt
positive Erfahrungen mit Berührungen und Körperkontakten neu gespeichert und damit umgeschrieben.
- Berührungen zur richtigen Zeit und mit der richtigen Intensität dienen der Kommunikation. Das gilt sowohl für angenehme, bestätigende, positiv verstärkende Berührungen, für neutrale korrigierende als auch für unangenehme, aversiv abschwächende. Dabei sind angenehme Berührungen mehr bestätigende soziale Kommunikation als echte positive Verstärkung d.h. der Hund tut es nicht häufiger, weil er kurz gestreichelt wird, sondern weil er versteht, dass seine Verhaltensweise gewünscht und willkommen ist. Und unangenehme abschwächende Berührungen sind bei guter Leitung entweder gar nicht notwendig oder können sehr schnell in ihrer Intensität abgebaut und durch neutralere Kommunikation ersetzt werden.
Übrigens: Wie die schwedische Tierärztin Theresa Rehn 2013 in einer Studie feststellte ist es nicht ratsam, wenn Sie Ihren Hund beim zurückkommen erst einmal vollkommen ignorieren. Solche extremen Verhaltensweisen sind selten beim Umgang mit Hunden sinnvoll. Machen wir uns doch immer wieder klar, dass wir es mit einem besonders sozialen, aufmerksamen und empfindsamen Wesen zu tun haben. Beim Ignorieren nach der Rückkehr wird das oben genannte Stresshormon Cortisol nicht abgebaut. Durch eine verbale Begrüßung sinkt dessen Spiegel immerhin. Oxytocin aber, dessen Spiegel bei einer Trennung wiederum sinkt, bleibt auch bei einer verbalen Begrüßung weiterhin niedrig. Eine ruhige Zuwendung hingegen mit ruhigem, langsamen kurzen Streicheln ist nicht nur sozialer sondern lässt nun auch den Oxytocinspiegel auf den normalen Stand schneller steigen.
Womit wir wieder bei der besonderen Bedeutung von Berührungen wären.