Was ich in den letzten 3 Wochen gelesen und erleebt habe, hat mich überrascht, nachdenklich und betroffen gemacht. Ich erlebte mehrmals eine so ungesunde, extreme Verschiebung der Wertigkeiten von Hunden und Menschen und ein so unsoziales, unreflektiertes Verhalten von Menschen aus meiner nächsten Facebook-Nähe, dass ich darüber schreiben möchte. Um aufzurütteln. Und um zu Fragen: Bin ich der einzige Sehende unter vielen Blinden ... oder hat sich unsere Gesellschaft längst verändert und ich bin der, der zurückgeblieben ist und es einfach nicht mitbekommen hat? Denn das Thema wird weitestgehend in der Hundeszene ignoriert.
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Vermenschlichte Hunde? Oder verhun(d)zte Menschen? Beides! |
Gesunde Vermenschlichung
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Sharik und Tony: distanzloses Miteinander |
Elisabeth Beck fragt in ihrem schönen Buch „Wer denken will muss fühlen“: Verletzen wir durch diese Art der Vermenschlichung die artspezifischen Bedürfnisse unserer Hunde? Nein, das tun wir nicht, solange wir bestimmte Regeln beachten, so dass die Beziehung zwischen Mensch und Hund respektvoll bleibt und die Hunde gehorsam sind.
Doch bei vielen Hundehaltern gehen die Formen der Vermenschlichung weit über das oben gesagte hinaus. Wertigkeiten werden so weit verschoben, dass ich über das Verhalten und die Äußerungen dieser Menschen immer häufiger betroffen und ergriffen inne halte.
Ungesunde Vermenschlichung und Verherrlichung
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Ein harmloser netter Spruch... aber nur für Menschen mit einem gesunden Menschenverstand |
Die Aussagen des rechten Bildes sind ohne Mühe wiederlegbar. Abgesehen davon, dass so komplexe Gefühle wie Liebe bei Hunden anders als bei uns Menschen ausfallen dürften, ist deren Zuneigung zu uns keinesfalls bedingungslos. Bedingungslos bedeutet ja, dass wir nichts dafür tun müssen, um von Hunden geliebt zu werden. Wenn dem so wäre, dann würde ein Hund nicht nur seinen Hundehalter lieben sondern auch alle anderen Menschen. Denn schließlich wäre seine Liebe ja bedingungslos, bedürfte also keinerlei Voraussetzungen. Damit wäre sie aber nichts individuell besonderes mehr. Doch diese Gedanken müssen wir uns gar nicht machen, denn die Liebe unserer Hunde ist nicht bedingungslos. Genauso wenig wie ihre Treue für immer gilt. Besonders deutlich wird das, wenn man einen Hund für 7 oder gar 14 Tage in eine Hundepension abgibt. Wird der Hund dort ähnlich gut behandelt wie bei seinem Besitzer, bringt das Verhalten des Hundes nach der Rückkehr seiner Besitzer diese häufig ins Grübeln: der Hund kommt oft genauso gerne mit dem Besitzer mit wie er da bliebe, wo er war. Weil er in eine neue Struktur gefunden hat und sich darin mittlerweile wohl fühlt. Je persönlicher die Betreuung, um so stärker der Effekt. Ich hatte schon Hunde für nur 2 Tage bei mir, die danach offensichtlich lieber da geblieben wären, als zurück zu kehren. Von wegen bedingungslose Liebe und ewige Treue.
Hunde sind die besseren Menschen.
Daraus jedoch abzuleiten, sie wären die besseren Menschen und Wesen zeugt sowohl von einer Verunsicherung der so Denkenden bezüglich menschlicher Beziehungen und Leistungsfähigkeiten als auch einer Abkehr davon zu einer romantisierten Welt der Hunde. Auch ein zweieinhalbjähriges Kind ist nicht in der Lage uns zu hintergehen oder zu verletzen. Deswegen sind Kinder aber keine besseren Menschen. Es fehlt ihnen (in dem Alter noch) genauso wie unseren Hunden das Unrechtsbewusstsein. Völlig außer Acht gelassen werden dabei auch die wunderbarsten Eigenschaften von uns Menschen wie Mitleid, Selbstlosigkeit, Großzügigkeit, Aufopferungsbereitschaft, Hilfsbereitschaft, Hingabe, Freundschaft und Liebe, zu der zwar beileibe nicht alle Menschen in der Lage sind, aber genügend viele.
Letztendlich ist es aber auch einfach bequem und feige, sich in eine unkomplizierte Beziehung mit einem Hund zu flüchten anstatt sich auf eine intensive Beziehung mit Mitmenschen einzulassen, die stets die Gefahr mit sich bringt, dabei verletzt und enttäuscht zu werden.
Fatale Folge: Unsoziale Haltung und Verschiebung von Wertigkeiten

Doch weit gefehlt. Denn noch erschreckender als der stolze Eingangsbeitrag waren die vielen bestärkenden Antworten. Unisono gaben ihr ihre Freunde recht und bestärkten sie nur noch in diesem unsozialen, rücksichtslosen und dazu gastunfreundlichen Verhalten. Man war sich auch nicht zu schade, die Angst der Besucherin zu verharmlosen und als häufige Tierunfreundlichkeit abzuwerten.
Angesicht dieser Antworten fragte ich mich, ob ich es mit einer kollektiven Desozialisierung von Menschen mit Hunden zu tun habe oder es einfach nur ein gängiges Phänomen im Internet ist, einander auch bei noch so unmöglichem Verhalten zuzustimmt... solange das Verhalten positiv für Tiere ausfällt und man selbst überzeugt genug auftritt.
In meinem Haus darf sich jeder Gast darauf verlassen, dass seine Ängste ernst geommen werden und sei es Mensch sei es Hund, er mit der Nähe von niemanden leichtfertig konfrontiert wird, wenn diese schreckliche Angst bei ihm auslöst. Im vertretbaren Rahmen. Bei solchen Menschen möchte ich jedenfalls ungern zu Gast sein. Außer ich wäre ein Hund. Denn diese werden mit offenbar mehr Rücksicht und wohlwollender behandelt als menschliche Gäste.
Apropos Hund und Freiheit. Wie unangebracht die Haltung der Gastgebern war wird sehr schnell klar, wenn wir es nicht mit einem Menschen mit schrecklicher Angst vor Hunden zu tun gehabt hätten sondern mt einem Besucherhund mit schrecklicher Angst vor fremden Menschen (oder Hunden). Ich wette, dass die Gastgeberin in einem solchen Falle sehr viel Rücksicht auf den tierischen Besucher genommen und alle ihn ängstigenden Reize möglichst weit fern von ihm gehalten hätte. Inklusive des eigenen Hundes.
Zunehmende soziale Inkompetenz
Das obige Beispiel ist keine unrühmliche Ausnahme. Es ist mittlerweile leider die Regel im Internet. Möchte man Beschimpfungen, Aufrufe zur Menschenquälerei und Morddrohungen finden, braucht man nur nach Beiträgen zu suchen, in denen einem Hund Unrecht angetan wurde. Dabei spielt es keine große Rolle, ob so ein Hund dabei zu Tode kam, einen vermeintlichen Giftköder gegessen hat, vor dem Tierheim angebunden oder ausgesetzt wurde. Es spielt dann auch keine Rolle, ob das mit Wassernapf und Körbchen an einer belebten Autobahnraststätte oder lediglich mit einer Leine irgendwo am Straßenrand geschah. Die Tierschützer und der tierverrückte Mob unterscheiden da nicht. Die Kommentare sind erschreckend, gefühlsarm, alarmierend und abstoßend.
Seit wenigen Tagen haben diese verrohten Fanatiker eine Möglichkeit mehr, ihren Aggressionen Luft zu machen: die Hitzewelle und die Hunde, die dabei im Auto alleine gelassen werden. Auch hierbei spielt es keine Rolle mehr, ob die Gesundheit des Hundes im Auto dabei gefährdet wird oder man innerhalb so kurzer Zeit zurückkommt, dass er nicht mal ins Hecheln kommt. Dabei überschreiten solche Menschen beliebig Grenzen. So setzte just heute ein Mann ein Foto eines Wagens einer Trainerin samt Kennzeichnen, Werbetafel und Mobilnummer ins Facebook, weil diese es gewagt hat, ihre Hunde kurz im Auto zu lassen (in diesem Falle war es anscheinend völlig unschädlich). Für die Möchtegern-Staatsgewalt Fritz K war das nicht von Belang. Er fand es richtig, sich als Held, Richter und Vollstrecker zugleich zu präsentieren, die Trainerin öffentlich anzugreifen und ihrer beruflichen Existenz damit zu schaden. Im Namen der Tiere, die anscheinend nach dem Öffnen des Fahrzeug nicht mal hechelten. Laut Angaben der Trainerin, ist sie lediglich für ca. 90 Sekunden hoch, weil sie etwas in der Wohnung vergessen hatte. Der Vorfall wurde dennoch aufgrund seines expliziten Aufrufs zu teilen, um der Trainerin einen maximalen Schaden zuzufügen, über 4.600 mal geliket und fast 36.000 mal geteilt.
Das sind fast 36.000 Menschen, die handeln anstatt nachzudenken. Menschen, für die Hintergründe, Angemessenheit und die Folgen Ihres Tuns keine entscheidende Rolle spielen, wenn sie emotional an der empfindlichen Tierfreundseele berührt werden.
Hier erkennt man übrigens dasselbe Verhaltensmuster wie oben bei den Reaktionen auf die gastunfreundliche Frau. Und dasselbe Muster zeigen die Menschen auch im letzten Fall unten. Hier wird sogar ein unerzogenes Kind beschimpft.
Kein halt vor Kindern
Das untere Video sollte für die meisten Leser nicht erläutert werden müssen:
Unempathisch, rücksichts- und hemmungslos spielt der Junge darin mit dem
Bullterrier. Eine Diskussion darüber, ob der Hund bereits Stresssymptome zeigt
oder nicht, wie sie in einer Facebookgruppe entstand, ist obsolet. Ein solches
Verhalten gehört unterbunden, wenn es auftritt, das Kind darüber aufgeklärt,
weshalb es so nicht spielen darf und im letzten Schritt würde ich ihm zeigen, wie
er mit einem Hund so spielen kann, dass es beiden Spaß macht.
Doch was auch da an Kommentaren folgte zeigt einmal mehr, dass die breite Schicht
unserer Gesellschaft das richtige Maß verloren hat und nicht da anzusetzen
weiß, wo sie sollte: bei den Eltern.
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Die Seite ist öffentlich einsehbar. Daher sind die Namen hier nicht ausgelendet. |
Das Kind dieser Frauen, die das Kind hier so beschimpfen, möchte ich nicht sein. Auch hier macht sich das Fehlen von Einfühlungsvermögen und Angemessenheit und die fehlende Rückführung auf die Ursache für dieses Verhalten, die mangelhafte erzieherische Leistung der Eltern, bemerkbar.
Achte auf Deine Worte ...
Mittlerweile gibt es erste Folgen der Aktion von Fritz K. Die Trainein hätte Angst, so heißt es, um sich persönlich und um ihre Existenz, der Schaden ist jetzt schon immens hoch. Da das Auto mit Telefonnummer und Nummernschild im Netz verbreitet wurde gab es bereits Beleidigungen und Drohungen.
Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte a.uf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein
Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein
Schicksal.
4.600 Likes und 36.000 Teilungen scheinen mir utopisch. Die Bereitschaft für Tiere einzutreten und dabei rücksichtslos und leichtfertig Menschen anzugreifen ist kaum zu toppen. Aber ich bitte jeden darum, der dasselbe Anliegen hat wie ich, nämlich für einen vernünftigen besonnenen Umgang sowohl mit Menschen als auch mit Tieren einzutreten und angemessene Reaktionen statt unbedachten Aktionismus zu zeigen, für dieses Anliegen durch Liken und Teilen des Artikel einzustehen.
Ob das der Trainerin aus München noch helfen wird, ist fraglich. Der Image- und der finanzielle Schaden dürfte kaum umkehrbar sein. Bleibt unbekannter Weise zu hoffen, dass sie durch tadellose fachliche Leistung zu überzeugen weiß.
Ich würde mir jedoch wünschen, dass zukünftig Beschimpfungen und jegliche Ausrufe und Aufrufe zur Gewalt von den Seiteninhabern nicht mehr toleriert werden, indem solche Beiträge kompromisslos gelöscht und solche Gruppenmitglieder verwarnt und ggf. auch verbannt werden.
Achte auf Deine Worte...
Genauso ist es. Auf den Punkt gebracht. Danke.
AntwortenLöschenSchöner Artikel, bis auf den Nachtrag: Michael Grewe war der nette Herr mit dem Blechnapf, ne? Gar nix glaube ich jemandem, der so wenig Respekt vor anderen Lebewesen hat und Gewalt einsetzt um einem anderen Lebewesen etwas beizubringen.
AntwortenLöschenSuper Kommentar Nina! Damit zeigt es sich, dass du gelesen, aber nicht begriffen hast. Genau um solche Kommentare geht es. Weißt du alle Hintergründe und Umstände zu dem Trainingsfall von Herrn Grewe? Weißt du, was genau passierte? Nein? Dann überdenke solch schnell geschriebenen Worte!
AntwortenLöschenPeter, hast ins Schwarze getroffen. Genau das ist mir unlängst im Urlaub aufgefallen. Dort am Gestüt werden Hunde gehalten, geliebt, gekuschelt. Und wie Hunde behandelt. Keine sozialen ersatzfiguren für oft nicht mehr vorhandene soziale Kompetenz der Menschen. Die Hunde können nicht reden und nicht einfach ausziehen...
Wahrheit erschließt sich nicht immer auf den ersten Blick.
Da hat Antje Recht. Und ich erkläre auch genau, weshalb.
AntwortenLöschenEs ist völlig in Ordnung, wenn Du, Nina, die Aktion damals nicht gutheißen kannst. Und das darfst Du durchaus auch schreiben. In Deinem Kommentar machst Du jedoch Aussagen, die genau das Problem sind, welches ich im Artikel anspreche. Zum einem "so wenig Respekt vor anderen Lebewesen". Ich gehe davon aus, dass Du Michael Grewe nie persönlich kennen gelernt hast oder über einen aussagefähigen Zeitraum bei seiner Arbeit beobachten konntest. Aufgrund einer Aktion anzunehmen, er hätte "so wenig Respekt vor anderen Lebewesen" ist genau die Haltung und die Implizierung, die ich mir nicht wünsche. Zum anderen ist es die radikale Einstellung, einem solchen Menschen "gar nix" zu glauben. Du entwertest damit die Person sofort als Mensch und stellst auch sein gesamtes Wissen in Frage. Und das findest Du angemessen?
Es gibt noch einen Punkt, den ich dazu ansprechen möchte: Mein Nachtrag war völlig harmlos. Ich vermute dass Du nicht weißt, welche persönlichen und beruflichen Folgen und welches Leid damals auf ihn und seine Familie zukam. Auch wenn ich Michael zu dem Zeitpunkt nicht kannte bin ich überzeugt, dass das menschliche Leid um ein Vielfaches höher war als das des getroffenen Hundes. Damit waren die Reaktionen damals schon unangemessen genug.
Mit etwas mehr Einfühlungsvermögen und Respekt vor anderen Menschen muss, wie ich finde, diese Aktion nicht immer wieder neu, völlig unnötig und dabei diskreditierend Erwähnung finden. Nicht einmal sachlich. Und so erst recht nicht.
Vielen Dank für diesen wunderbaren Beitrag, der die Entwicklung unserer Gesellschaft auf den Punkt bringt. Es ist erschreckend, egal wohin man schaut. Ob auf die Hundeerziehung, der Umgang mit Kindern, mit Asylbewerbern oder einfach mit der Kassierin an der Supermarktkasse. So viel Ignoranz und Respektlosigkeit macht mich unglaublich traurig und macht mir vor allem auch sehr viel Angst.
AntwortenLöschenVielen vielen Dank!
Danke! Sehr gut!
AntwortenLöschendatenraum anbieter
Endlich spricht jemand laut aus, was ich denke. Der Münsterländer meines Schwiegervaters hat sich früher, als mein Kind zwei Jahre alt war, extrem aggressiv verhalten und ihm aus dem nichts ins Gesicht geschnappt. Jeder Besuch bei den Schwiegereltern war für mich die Hölle, denn als Reaktion habe ich gesagt bekommen, dass ich hysterisch sei und meinem Kind beibringen sollte, sich hin zu setzen und sitzen zu bleiben. Dabei hat er den Hund nicht mal angefasst, im vorbei gehen (nicht rennen) sprang der Hund auf und schnappte nach meinem Kind. Meiner Bitte, den Hund für die Zeit unseres Besuches (2 Stunden) in einen anderen Raum zu bringen, wurde nicht befolgt, sondern es hieß nur, der Hund wäre genau so wichtig wie der Enkel. Ich verstehe es bis heute nicht, wie man so asozial denken kann. Mir wurde später vorgeworfen, den Aufbau einer Beziehung zu den Enkeln verhindert zu haben. In Ihrer Geschichte der intoleranten Gastgeberin habe ich eins zu eins meinen Schwiegervater wieder erkannt. Sehr traurig, wie manche ihre Prioritäten fest legen. Ich habe übrigens selbst keinen Hund, obwohl ich diese Tiere toll finde und respektiere. Viele Hundehalter sind es, die völlig durchdrehen mit ihrer vermeintlichen Liebe zum Tier.
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