Ich werde in diesem Beitrag Positivtrainer als eben solche bezeichnen und die anderen, die im Ursprungstext Erzieher genannt werden, als natürlich kommunizierende Trainer, Naturtrainer. Das soll weder bedeuten, dass Naturtrainer nicht auch positiv arbeiten würden noch, dass Positivtrainer nicht auch natürlich kommunizieren könnten. Vielmehr soll damit der Schwerpunkt der jeweiligen Arbeitsweise herausgestellt werden.
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Kann dieser tiefe Graben wirklich durch Brückenbau über Aufklärung und Diskussion überwunden werden? |
Es gibt eine dritte Philosophie über den richtigen Umgang mit Hunden, die auf Autorität und Dominanz beruht. Diese autoritären Trainer gibt es auch heute noch. Sie sind jedoch klar abzugrenzen von den Naturtrainern. Diese Trainerkollegen haben meiner Ansicht nach das Wesen unserer Hunde nicht verstanden und setzen Methoden aufgrund veralteten Wissens ein, die Hunden oft mehr Schaden als Nutzen zufügen. Der kompetente Naturtrainer distanziert sich entschieden von solchem Hundeverständnis und der darauf beruhenden Behandlungspraxis.
Vorab sei gesagt, dass es sich bei den Fragen 1, 2 und 4 nicht um Fragen zu tatsächlichen Zuständen und Methoden handelt, sondern um Behauptungen. Deshalb wird diesen Behauptungen, die unzutreffend sind, zunächst einmal widersprochen
Ich möchte auch klarstellen, dass ich zwar als Naturtrainer die Fragen beantworte und hier teilweise für diese Trainer spreche. Meine Antworten müssen aber, natürlich, nicht die Meinung meiner Kollegen widerspiegeln. Letztendlich basieren die Antworten auf meinen eigenen Ansichten und Erfahrungen. Daher sind sowohl Naturtrainer als auch Positivtrainer aufgerufen, andere Ansichten zu äußern und weiterführende Fragen zu stellen.
Warum tut ihr Hunden Gewalt an?
Tun wir nicht!
Was als Gewalt empfunden und bewertet wird, hängt sehr stark von dem individuellen Empfinden und Erfahrung eines jeden Menschen ab. In einem Forum entstand auf meine entsprechende Frage hin eine aus über 200 Beiträgen verschiedener Trainer bestehende Diskussion: Was ist Gewalt? Ist Gewalt immer schlecht? Heiligt der Zweck die Mittel? Wo beginnt Gewalt? Die Aussagen zeigten dabei, dass jeder Gewalt ein wenig anders definiert. Der Begriff ist so dehnbar, dass man sogar die Anwendung der positiven Verstärkung zum Zwecke der Konditionierung von Hundeverhalten als Gewalt auslegen könnte: die bewusste, die synaptischen Strukturen in dem Gehirn eines Hundes ganz nach eigenem Wunsch verändernde Einwirkung auf den Hund, um sein Verhalten dauerhaft zu verändern. Weder versteht der Hund, was wir vorhaben oder tun. Noch kann er sich dafür oder dagegen aussprechen. Dabei wirken wir auf ihn durch eine solche Konditionierung sehr stark verändern und zugleich sehr stabil in der Dauerwirkung ein. Diese Vorgehensweise kann als eine sehr subtile Gewaltanwendung ausgelegt werden, die für den Hund auf erfreuliche Weise durchgeführt wird und keiner physischen Gewalt bedarf.
Das obige Beispiel zeigt, wie schwierig der Begriff Gewalt ist. Die Frage wäre daher besser zu beantworten, wenn man konkret würde und Handlungen einzeln benenne, die man als Gewalt einstuft.
Diese Schlussfolgerung ist jedoch falsch. Tatsächlich ziehen Naturtrainer Krafteinwirkungen der positiven Verstärkung aufgrund diverser Vorteile bewusst vor. Bei aller Kenntnis der Vor- und Nachteile beider Vorgehensweisen und trotz Beherrschung aller dafür notwendigen technischen Fertigkeiten. Diese Vorteile können sein:
- schnellere Stressreduktion beim Hund,
- schnellere Beendigung eines unerwünschten bis unerträglichen Zustandes beim Hund, beim Menschen oder bei beiden,
- die Auswirkung der natürlichen Kommunikation auf das Gesamtverhalten des Hundes (Stichwort erzieherischer Effekt) im Gegensatz zur fokussierten positiven Konditionierung eines bestimmten Verhaltens.
Hinzu kommt als Grund für diese Arbeitsweise, dass sie von den Naturtrainern als artgerechter betrachtet wird.
Aus dieser Antwort dürfte ersichtlich werden, dass gute Arbeit von Naturtrainern nichts mit selbstverständlicher Unterwerfung oder aggressiven Gewaltausübung zu tun hat, sondern stets mit höchstem Respekt, Wohlwollen und verantwortungsvollem Handeln Hunden gegenüber einher geht.
Warum wollt ihr eure Hunde dominieren?
Wollen wir gar nicht!
Und anders als bei Gewalt handelt es sich hierbei nicht um eine Frage des Begriffsverständnisses. Sondern um ein gerne auch heute noch eingebrachtes Abgrenzungs- und Diskriminierungskriterium aus der positiven Hundeszene bzgl. Naturtrainern, welches einfach nicht zutrifft. Kein umsichtiger Naturtrainer möchte seine Hunde dominieren. Auch finden sich solche erzieherischen Ansätze in keinem Buch oder Seminar der bekannten Naturtrainer.
Wir, alle Hundehalter, haben allerdings eine Verantwortung für unsere Hunde. Für deren Gesundheit, deren allgemeines Wohlbefinden und deren Verträglichkeit und Anpassung an unsere Gesellschaft und die Umwelt. Je zuverlässiger ein Hund unseren Kommandos folgt, umso größer ist die Freiheit, die er täglich genießen kann. Um diese Zuverlässigkeit zu erreichen setzen wir auf Freundschaft, Beziehung und Souveränität und die darauf basierende bereitwillige Gefolgschaft unserer Hunde. Und korrigieren und geleiten sie durch direkte natürliche Kommunikation, wenn die Zuverlässigkeit nachlässt. Mit Dominanz hat das nichts zu tun.
Schön, wenn wir durch diese Antwort das Missverständnis und Vorurteil, Naturtrainer würden Hunde dominieren wollen, ein für alle Mal aus der Welt schaffen könnten. Es wäre sehr begrüßenswert, wenn diese Information auch bei den lehrenden Vorbildern der positiven Hundeszene zu einer ertragfähigen Erkenntnisreife führte.
Ist euch bewusst, welche langfristigen Folgen "Schreckreize" auf Hunde haben können? bis hin zu verunsicherten, oder gar ängstlichen Hunden, die auch mal zuschnappen?
Wie bei den Positivtrainern gibt es auch bei den Naturtrainern erfahrenere und unerfahrenere Kollegen, mit sehr umfangreichem Wissen und nur mit Basisbasis ausgestattete. In der Regel sollte jeder Trainer, unabhängig von seiner Methodik, die Vor- und Nachteile seiner Arbeitsweise kennen. Daher wissen kompetente Naturtrainer sehr genau, welche Folgen Ihre Methoden für die Hunde haben können. Und ebenso gut wissen sie, wann und bei welchen Hunden man bestimmte Methoden weitestgehend gefahrlos anwenden kann und wann nicht. Also wie man diese möglichen langfristigen negativen Folgen effektiv vermeidet.
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Verängstigt durch Schreckreize? Möglich ist es. Doch erfahrene Trainer wissen, wann und wie sie solche kritischen Mittel zum Wohle eines Hundes einsetzen, anstatt diesem zu schaden. |
Wie die Positivtrainerin Dr. Esther Schalke in Ihrem Seminar „Exzessives Verhalten“ ausführt, ist auch der Einsatz der positiven Verstärkung nicht risikofrei. So besteht z.B. durch falsch gewählte Bestätigungsintervalle die Gefahr ein abnormal repetitives Verhalten zu verursachen. Eine weitere Gefahr ist, dass durch unsachgemäße Belohnungen durch Futter der Mensch in den Augen eines Hundes zu einem Futterspender verkommt. Diese Beispiele zeigen, dass auch diese Art der Arbeit Gefahren birgt. Und es leuchtet hoffentlich jedem Leser ein, dass jede komplexe, dauerhaft ausgeübte Arbeitsweise mit einem anderen Lebewesen stets neben positiven Effekten auch Gefahren und Risiken birgt.
Wir sollten daher aufhören, Methoden allein aufgrund der möglichen Gefahren abzulehnen und abzuwerten. Andernfalls werden wir zur Untätigkeit verdammt sein. Vielmehr müssen wir bemüht sein, der Ausübung jeder Methode durch unser Wissen, unsere Technik, unsere Intuition und unsere Erfahrung so weit gerecht zu werden, dass Risiken bis auf eine irrelevante Größe minimiert, die Gefahren hinreichend ausgeschlossen und die Methode ohne größere Bedenken angewendet werden kann. Tausende an gut erzogenen und ebenfalls tausende an therapierten aggressiven und ängstlichen Hunden sind der beste Beweis dafür, dass eine verantwortungsvoll fachmännisch ausgeübte, auf natürlicher Kommunikation beruhende Arbeit, wirkungsvoll den Gefahren trotzen und beste, oft auch effizienteste, Ergebnisse für Mensch-Hunde-Teams erbringt. Teilweise auch mit Schreckreizen, die sicherlich stets sehr maßvoll und unter Berücksichtigung der bekannten Gefahren anzuwenden sind.
Sicherlich gibt es auch Negativbeispiele solcher Arbeiten. Hier wäre es vernünftig, solchen Negativfolgen vor allem an der Inkompetenz der Trainer und der Unzulänglichkeit der Hundehalter festzumachen als an den Methoden selbst. Die Methoden auf diejenigen zu beschränken, die die geringsten Gefahren bergen, würde zu einer Methodenarmut führen, die unseren Fähigkeiten als Menschen, Hundeliebhaber und Hundetrainer in eklatanter Weise nicht gerecht und die Behandlungsmöglichkeiten in unverantwortlichem, die therapeutischen Erfolgsaussichten minimierendem Maße einschränken würde.
Stattdessen gilt es, die Kompetenz der Hundetrainer möglichst auf höchstes Niveau zu heben und in Trainingseinheiten und Seminaren so weit wie möglich an die Hundehalter weiter zu geben.
Warum ignoriert ihr wissenschaftliche Ergebnisse, die die Vorteile der positiven Verstärkung hervorheben?
Tun wir nicht!
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Kopf in den Sand? Kein engagierter Hundetrainer ignoriert profunde wissenschaftliche Erkenntnisse. |
Allerdings erkennen wir ebenfalls Gefahren und Nachteile darin, sich auf die Arbeit mit positiven Mitteln zu beschränken. Der größte ist, dass man dabei dem besonderen erzieherischen Anspruch, den wir in der Regel durch eine direkte Konfrontation mit dem Hund am natürlichsten, am effektivsten und im besonderen Masse artgerecht umgesetzt sehen, nicht gerecht werden kann. Insbesondere sind die Auswirkungen natürlicher Kommunikation mit dem Hund auf die Beziehung zu ihm andere als die der gezielten Konditionierung. Seine Gefolgschaft ist intuitiver und intrinsisch motiviert. Diese ziehen wir der zu weiten Teilen durch konditionierte Abläufe bedingten Gefolgschaft vor.
Was habt ihr gegen Konditionierung? Im Prinzip funktioniert auch unser Schulsystem danach und im Sport wird es seit Ewigkeiten eingesetzt.
Heißt es nicht: Konditionierung finden immer statt? Dementsprechend haben wir nichts gegen Konditionierung. Letztendlich konditionieren viele von uns ebenfalls bestimmte Abläufe gezielt. Wogegen wir etwas haben ist die Einschränkung auf die rein positive Arbeit. Und damit die fast ausschließliche auf Konditionierung abzielende Trainingsarbeit mit dem Hund. Die Nachteile positiver Arbeit und die Stärken der beziehungsbasierten natürlichen Kommunikation wurden ja bereits in den obigen Antworten ausführlich beschrieben. Dort findet sich die Begründung dieser Haltung.
Der Vergleich mit unserem Schulsystem und dem Sport ist aus mehreren Gründen unpassend gewählt. Zum einen können wir Menschen im Gegensatz zu unseren Hunden selbst entscheiden, worauf wir uns einlassen und was wir ablehnen. Wir gehen somit ggf. sehr bewusst den Weg der Konditionierung. Zum anderen dominiert auch dann diese Konditionierung nicht vollständig unser Leben; es gibt noch viele Gelegenheiten für natürliche Interaktionen mit unserer Umwelt, die nicht von Konditionierung geprägt sind.
Steckt in dem Wunsch, den Hund zu erziehen, statt ihn zu konditionieren, nicht auch die (unbewusste) Vermenschlichung des Tieres?
Das ist eine interessante Frage. Vermutlich ist sie dadurch motiviert, weil eine solche Erziehung eines Hundes gewisse Parallelen zu der Erziehung von uns Menschen aufweist. Was allerdings keineswegs bedeutet, dass dabei vermenschlichende Aspekte eine Rolle spielen. Von mir ausgehend sehe ich die Motivation für diese Art des Umgangs mit dem Hund im entsprechenden Verständnis seines Naturells und seiner Bedürfnisse nach Sicherheit, Zuverlässigkeit und Führungsqualität durch seine Menschen. Diese Bedürfnisse können weitestgehend auch bei der Einschränkung auf die positive Arbeitsweise mit Hunden befriedigt werden. Allerdings ist die Rolle des Menschen als souveräner Leiter den Hunden durch ausschließliche positive Arbeit weniger gut vermittelbar. Gerade die Führungsqualität leidet unter den so wichtigen körperlichen regulativen Interaktionen mit den Hunden und unter den nur indirekt möglichen Grenzsetzungen.
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Vermenschlichen wir unsere Hunde durch auf natürlicher Kommuniaktion basierte Erziehung? |
Als letztes möchte ich gerne den Grundgedanken der Frage ein wenig weiter spinnen und zeichne eine Welt, in der wir die auf natürlicher Kommunikation basierende Erziehung als ungebührende Vermenschlichung und damit inadäquate Behandlung unserer Hunde abtäten. Wir würden damit den Umgang mit unseren Hunden nicht nur auf die Konditionierung einschränken sondern auch ihnen selbst als Wesen die Fähigkeit, über natürliche Kommunikation erzogen werden zu können, absprechen. Es hat lange genug gedauert, bis wir davon abgekommen sind, Tiere und speziell Hunde als weitestgehend gefühllose Wesen zu betrachten. Forscher und Wissenschaftler wie James O’Heare, John Bradshaw, Günther Bloch und Udo Gansloßer haben hoffentlich hinreichend das Gegenteil begründet. Robert Mehl zeigt in seinen Seminaren anschaulich, wie sehr sich die Gehirnareale von Mensch und Hund ähneln. Eine Reduktion der Hunde auf ausschließlich konditionierende Vorgänge, indem man ihnen die Fähigkeit abspräche, durch körpersprachliche Interaktionen nicht nur mittels Konditionierung sondern auch kognitiv und sozial zu lernen und damit sich erzieherisch weiter zu entwickeln, wäre ein gigantischer Rückschritt. Wir wären erneut in der Hundesteinzeit. Wo zwar nicht erneut die Erziehung durch Dominanz und Unterwerfung vorherrschen würde, aber die durch positiv basierte Dressur.
Ich hoffe, dass dies keine ernsthafte Überlegung von kompetenten, modernen Hundetrainern ist.
Great! koiran lopettaminen hinta
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