Haben wir nicht alle, Hundehalter wie Hundetrainer, jahrelang moniert, dass unqualifizierte Kräfte ihre Dienste in der Hundebranche anboten? War nicht jedem Hundefreund der Möchtegern-Trainer von nebenan ein Dorn im Auge, der nach der Lektüre einiger Bücher, dem unreflektierten Konsum einiger Hundesendungen oder nach mehreren Konditionierungserfolgen mit dem eigenen Hund durch die Nachbarschaft in eine Verbesserungsmission zog? Und erst recht die Trainer, die mit viel Zwang und wenig Sachverstand Hunde teilweise dauerhaft schädigten, Halter noch mehr verzweifeln ließen und einen Premium-Nährboden für grünschleifige Schimpftiraden auf alle Trainer bereiteten, die mit aversiven (aber artgerechten) Methoden arbeiteten? Waren wir nicht alle froh, wenn auch gleichzeitig gespannt, als das Tierschutzgesetzt 2013 novelliert wurde?
“Die gesetzlichen Bestimmungen kommen unserem Anspruch
entgegen, erstklassige Hundetrainer auszubilden, die professionell und
erfolgreich mit Menschen und Hunden arbeiten”, sagte noch vor wenigen Monaten Susanne
Pilz von der Fachakademie für Hundetrainer. Ein Jahr lang hatten die Behörden und
Gremien nun Zeit, ein durchdachtes, umfassendes Konzept zu entwickeln. Eine
Woche vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes gibt es jedoch nicht mal eine einzusehende
Prüfungsordnung für die Zertifizierungen. Es wurde bislang versäumt, nachvollziehbare
Kriterien aufzustellen, welche Ausbildungsbetriebe anerkannt werden und somit
welche Absolventen über ausreichende theoretische und/oder praktische Kenntnisse
für die Arbeit mit Hunden bereits verfügen und nicht mehr geprüft werden müssen.
So herrscht z.B. bei der in der Theorie starken ATN (Akademie für
Tiernaturheilkunde) mit so bekannten Dozentinnen wie Dr. Ute Blaschke-Berthold,
Pia Gröning oder Maria Hense genauso weiterhin Unklarheit über die Anerkennung
wie bei anderen Ausbildungsstätten. Ebenso wurde versäumt, Kriterien
aufzustellen, deren Erfüllung die Zertifizierung langjähriger Hundetrainer und
Hundeschulenbesitzer hätte erleichtern können. Mir fehlt das Einsehen, wenn erfahrene
und allseits anerkannte Trainer und Trainerinnen, die seit Jahrzehnten erfolgreich
ihrem Beruf nachgehen, nun dazu genötigt werden, Bücher und Skripte zu lesen, um
sicher beantworten zu können, seit wie vielen Tausend Jahren der Hund als domestiziert
gilt, ob ein Hund einen Blinddarm oder
einen Appendix hat und was eine intermediäre Brücke ist. Natürlich gilt es auch
bei altgedienten Kollegen objektiv aber auf eine angemessene Weise sicherzustellen,
dass die Trainingsmethodik artgerecht ist. Doch genau dieser Herausforderung (Stichwort
Angemessenheit) ist man bislang überhaupt nicht gerecht geworden.
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Umsetzungs... was für ein Ding? |
Schlimmer noch. Es ist kein ganzheitliches Konzept erkennbar.
Bevor wir uns prüfen lassen, bedarf es einer gesetzlich anerkannten
Prüfungsordnung. Die Prüfungsinhalte müssen ebenso transparent sein wie die Bewertungskriterien.
Und dazu frei von Ideologien. Davon kann derzeit nicht die Rede sein. Im
Gegenteil, es hat einen höchst bitteren Beigeschmack, wenn Tierärztinnen einerseits
kostspielige Kurse zur Vorbereitung auf die anstehenden Prüfungen anbieten,
andererseits aber auch selber diese Prüfungen durchführen und über die
Zertifizierung der zu Prüfenden mitentscheiden. Eine inakzeptable Interessensverquickung
liegt hier auf der Hand. Wenn dieselben Personen dann auch noch über den BHV
die Prüfungsinhalte mit beeinflussen, muss über Ideologiefreiheit nicht weiter sinniert
werden. Der BHV positioniert sich ja eindeutig in der nichtaversiven Ecke. Konzepte
wie LaKoKo, körpersprachliches Führen, der korrekte Einsatz einer Wasserflasche
oder die richtige Technik des Leinenrucks wird man unter solchen Umständen in
der Prüfung kaum vorfinden. Schon mehren sich die Stimmen, die Prüfungen ganz
nach den Erwartungen der Prüfer abzuleisten, um anschließend mit der bisherigen
Arbeit wie gehabt fortzufahren. War das im Sinne des novellierten Gesetzes? Sicherlich
nicht.
Doch auch bei den Mitgliedern des BHV herrscht
verständlicherweise Zukunftsunsicherheit. Eine gute Lobbyarbeit kann ich jedenfalls
nicht erkennen. Und dann erhebt sich da noch die Frage: Wer zertifiziert
eigentlich die oben erwähnten Personen, die diese Situation so wunderbar für
sich nutzen? Schließlich sind auch diese nicht nur Tierärztinnen sondern auch Trainerinnen.
Beklagt wurde in der Vergangenheit viel. Und doch schauten die
meisten zunächst auf sich selbst. Solidarisch war man nur auf
Streckenabschnitten. Immerhin entstand eine Gruppe auf Facebook, wo man sich zu
dem Thema austauscht und einander hilft. Die Initiative Bunter Hund kam leider
zu spät; sie blieb letztendlich nicht mehr als eine nette Facebookgruppe von
Gleichgesinnten. Dabei hätte sie durchaus das Potential, eine Interessensvertretung
der bunten Trainer zu werden und ein Gegengewicht zum BHV zu bilden. Und auch
die bekannten Namen in der Szene, die umfangreich ausbilden und fortbilden,
haben sich bislang auffällig dem Thema entzogen.
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Initiative Buntes Hundetraining - ein brach liegendes Potential |
Noch ist aber der 11er-Käse lange nicht gegessen. So langsam
formiert sich gerade eine Front. Das Thema Klage und deren mögliche Formen in
Deutschland werden eruiert. Spät machen sich die Trainer zu gemeinsamer Stärke auf.
Man kann gemeinsam sicherlich mehr bewegen als jeder für sich allein. Und es
geht nicht mehr nur um den Bestandsschutz. Sondern um gefühlte Willkür und dilettantisch
anmutende Umsetzung eines Gesetzes, das anfangs so viel Hoffnung in der Hundebranche
weckte. Heute wissen wir: durch die momentan stattfindende Zertifizierung wird
der bestehende Markt nicht entscheidend gesäubert und der Schutz der Tiere nicht
wesentlich verbessert. Stattdessen sind viele Kollegen verunsichert. Manche
haben Angst vor der Zukunft und der Prüfung. Existentielle Angst. Andere fragen
sich, weshalb sie hohe vierstellige Summen für ihre Ausbildung ausgegeben
haben. Wiederum andere geben den (Neben)Beruf auf, darunter sind langjährige erfahrene
Trainerinnen und Trainer, die ihre Betriebe nun an die nächste Generation
weiter geben. Diese erfahrenen Fachleute werden wir sicherlich vermissen.
Mittelfristig, für die Zukunft, wird das neue Gesetz vermutlich eine Qualitätssteigerung des Berufes Hundetrainer nach sich ziehen. In die Zukunft blickend behält Susanne Pilz mit ihrer Aussage also dann doch noch Recht. Aber das hätte man auch erreichen können, ohne die bestehenden Trainer zu prüfen und einer solchen Ungewissheit und einem solchen existentiellen Druck auszusetzen.
Mir ganz aus der Seele gesprochen. Ein wunderbarer Sachlicher und wahrer Bericht, genauso habe ich das auch kommen sehen. Auch in der Frage, wer prüft die BHV Ausbildungsanbieter. Denn eine sogenannte humane artgerechte Erziehung ganz ohne Einwirkung bei bestimmten Hunden, sollte man nicht nur anpreisen, sondern diese auch so leben und zwar bei ALLEN HUNDEN. Ich möchte das gesehen haben. Fakt ist, dass es unfair ist, so unterschiedliche Anerkennungen von Prüfungen auszuführen.
AntwortenLöschenDanke, Irek, toller sachlicher Artikel ... den jetzt nur noch die lesen müssen, die den Mist verzapfen!!
AntwortenLöschenDanke, genauso sehe ich das auch! DANKE!!!
AntwortenLöschenHat sich eigentlich jemand mal Gedanken gemacht, was der Gesetzgeber mit "Ausbildung" meint? Das ist nur in den alten Durchführungsbestimmungen zum Tierschutzgesetz definiert - und heißt, z.B. dass ein ganz bestimmtes Ziel anvisiert wird! Demzufolge ist die gewerbliche Ausbildung von Hunden oder die gewerbliche Anleitung Dritter, ihre Hunde auszubilden davon abhängig, welches Ziel verfolgt wird > Schutzhund, Rettungshund, Behindertenbegleithund usw. Die Hilfe, die einem Hundehalter gewährt wird in Form von Beratung oder gemeinsames Training ist somit schon per Definition nicht gemeint!!!!! Oder werden alle Hunde jetzt zu Assistenzhunden? ICH berate, gebe Workshops und Seminare, bilde ehrenamtlich auch fremde Servicedogs aus, bin Dozentin am Fortbildungsinstitut einer Fachklinik zum Thema Therapie- und Pädagogikassistenzhundteamfortbildung für Fachkräfte - das sind Referententätigkeiten durchaus nicht nur Theorie sondern auch Praxis > wo ist denn da aber die Ausbildung über meinen Betrieb????? Ich mache das ja auch "nur" über 20 Jahre....
AntwortenLöschenIm Verein allerdings ist es dem Gesetzgeber egal, welche Qualifikation die Trainer haben, obwohl es um Tierschutz geht (habe übrigens selbst einen Verein mit aufgebaut und stand ihm mit seinen bunt gemischten Hunden und ihren ebenso unterschiedlichen Haltern viele Jahre zur Verfügung, habe Einzel- und Gruppenarbeiten konzipiert und geleitet, vom Welpen bis zu Prüfungen), da dürfen durchaus Hunde verheizt werden bis zum Exzess, da werden so genannte Hundetrainer auf die Halter und ihre Hunde losgelassen, die so gut wie nichts können oder gleich den Stachelwürger und Teletakt benutzen, was NIEMANDEN interessiert (ja, es gibt auch gute Vereinstrainer, aber die sind eher selten - leider).
Ich als angeblich gewerbliche Mensch-Hund-Trainerin habe selbstverständlich Seminare besucht und nehme immer wieder an Seminaren von KollegInnen teil, habe eine umfangreiche Bibliothek, bilde mich täglich weiter, führe ein Assistenzhundrudel (ja, Rudel - aus soziologischer Sicht korrekt), arbeite mit meinen Hunden jeden Tag bei Menschen aller Altersstufen und Einschränkungen (meine eigentliche Arbeit), kann vor allem auch auf viel Praxis zurückgreifen, und soll mich gleichsetzen mit den Neulingen, die kaum Praxis haben oder nur eine wie auch immer geartete theoretische "Ausbildung"?
Es geht doch wieder nur um Geld, nicht um Qualität oder Tierschutz/Verbraucherschutz - und genau das ist das Übel!
Die Ungleichbehandlung ist juristisch nicht haltbar, denn wieso kann ein Neuling, der mal grad eine Prüfung beim BHV gemacht hat oder vor der Tierärztekammer, ansonsten nicht wirklich Ahnung hat (denn das Wissen dort ist nur einseitig eingetrichtert und an der Realität leider viel zu oft vorbei) die Sachkunde schon allein deswegen bescheinigt bekommen? Wenn ich nur schon die Antworten zu den MC-Fragen sehe, wird mir ganz anders! Da müssen Dinge angekreuzt werden, die völlig am Leben vorbeigehen!
Nein, das Gesetz WÄRE PRIMA, wenn es RICHTIG geschrieben worden wäre.
Wo ist denn die Gebührenordnung? Gibt es überhaupt eine????? Oder sehen wir hier quasi nur eine Wiederholung des Niedersächischen Hundegesetzes, welches genauso dumm auf den Weg gebracht wurde??????
Und: wenn es wirklich um Tierschutz ginge, müssten die Vereinstrainer ebf. ihre Sachkunde nachweisen, denn einen Hundeverein zu gründen, kann jeder Depp und Nichtskönner mit nur 6 Gleichgesinnten - also mit seiner Familie!
Die Idee hinter der gesetzlichen Bestimmung war sehr gut, aber die Durchführung ungenügend!
Du sprichst mir aus der Seele. Danke für diese sachliche Darstellung zum neuen Tierschutzgesetz §11.
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