Dienstag, 15. April 2014

Team oder Rudel?



Im Grunde genommen ist es egal, wie ich die Gemeinschaft mit meinem Hund nenne, wenn damit nicht automatisch eine bestimmte Art der Hundeerziehung beschrieben wird.

Diesen klugen Satz fand ich neulich auf einer Internetseite1. Und doch ist die Bezeichnung „Rudel“ eines der ewigen Streitthemen in etlichen Hundeforen und Diskussionsgruppen. Ich bin der Meinung, dass es nur einen Grund gibt, weshalb sich viele gegen diese Bezeichnung aussprechen. Oder gar aversiv darauf reagieren.  Es ist die damit oft verbundene Denke über Erziehungsmethoden. Gerne kommt man von Rudel auf Rudelführung und von Rudelführung auf Rangordnung, Dominanz und Hausstandsregeln.

Betrachten wir im Folgenden daher den Begriff „Rudel“ unabhängig von diesen Zusammenhängen, die zwar oft vorkommen, aber für die Betrachtung der Bezeichnung „Rudel“ unerheblich sind und auch einer hiervon getrennten Einordnung bedürfen. Zudem werden wir Erziehungseinstellungen nicht dadurch ändern, dass wir Begrifflichkeiten in Frage stellen. Sondern indem wir bzgl. dieser Erziehungsmethoden eine ehrliche Einsicht bei den Hundehaltern und Hundetrainern erzielen.


Schauen wir zunächst einmal umgekehrt auf das Verhältnis zwischen Mensch und Hund. Was ist denn der Hund für uns? Auf jeden Fall ein Haustier. Auch ein Freund. Irgendwie sogar ein Familienmitglied. Höre ich Widerspruch? Wenn nein, wieso nicht? Kann ein Hund ein Freund sein? Mal im Duden die Definition für "Freund" nachschlagen: „Eine Person...“. Ok, also kein Freund. Familienmitglied streng genommen auch nicht. Denn eine Verwandtschaftsbeziehung ist definitiv nicht vorhanden. Hier erkennen wir also die Tücken, wenn wir anfangen, jede Bezeichnung ganz streng nach Duden & Co zu beleuchten. Die Definition, was ein Rudel ist, sollte man schon kennen. Aber der Duden ist auch nur ein sich dynamisch anpassender Spiegel unserer Erkenntnisse und unserer Gesellschaft. Eine sehr gute Definition, verhaltensbiologisch, bietet online Wikipedia2:

Rudel ist die umgangssprachliche Bezeichnung für eine geschlossene und individualisierte Gruppe von Säugetieren. Ein Rudel ist eine geschlossene Gruppe, weil die Mitglieder eines Rudels nicht beliebig austauschbar sind und es ist eine individualisierte Gruppe, weil die Mitglieder der Gruppe sich untereinander erkennen.

Wir könnten also, genauso wie wir etwas unsachgemäß unseren Hund als Freund bezeichnen, die Gemeinschaft mit ihm als Rudel bezeichnen. Auch etwas unsachgemäß? Das denke ich nicht. Alle Kriterien der obigen Definition werden erfüllt. Es kommt außerdem nicht darauf an, wie wir den Hund sehen. Sondern eher darauf, wie uns der Hund sieht. Das allerdings werden wir leider nie genau wissen können. Doch wir können sein Verhalten beurteilen. Er weiß, dass wir keine Hunde sind. Aber er verhält sich uns gegenüber in vielerlei Hinsicht ähnlich wie gegenüber Rudelmitgliedern seiner Art. Er fordert uns ähnlich zum Spielen auf. Er behauptet sich uns gegenüber ähnlich und gibt ähnlich nach. Er schnüffelt sogar auch gerne in unserem Genitalbereich (nur wir tun es aus guten Gründen nicht umgekehrt). Er sucht ähnlich nach Körperkontakt und braucht uns in ähnlicher Weise. Weshalb sollten wir also auf die Bezeichnung "Rudel" verzichten, wenn nicht aus dem oben genannten und schon entkräfteten Grund der davon zuweilen fälschlich abgeleiteten Erziehungsmethoden?

Letzter Rettungsanker für die Gegner dieser Bezeichnung: In manchen Definitionen von „Rudel“ steht, dass die Mitglieder (fast) ausschließlich einer und derselben Art angehören. Und Mensch und Hund gehören nun einmal einer anderen Spezies.

Eine Herde aus ca. 30 Menschen und 40 Hunden beim Februar-Spaziergang.
Ganz vorne: Sharik.

Ich argumentiere dagegen und behaupte, dass ein Rudel nicht zwingend aus gleichartigen Lebewesen bestehen muss. Bei einer Herde ist das bereits laut Definition der Fall. Es schließen sich zuweilen unterschiedliche Tierarten zu Herden zusammen. Damit eine so kleine Gruppe wie ein Rudel aus Mitgliedern verschiedener Arten bestehen kann, müssen Kriterien erfüllt sein, die kaum in der Natur vorkommen. Die unterschiedlichen Spezies müssen

  • für sich genommen mit Anderen der eigenen Spezies in Gemeinschaften leben,
  • miteinander sozial verträglich sein,
  • einen Vorteil von der Gemeinschaft haben,
  • miteinander kommunizieren können,
  • miteinander zu vereinbarende Lebensbedingungen haben.

Die einzige soziale Gemeinschaft, die diese Kriterien erfüllt, ist die Gemeinschaft zwischen Mensch und Hund.Und wie nennen wir das? Ein Team?

Schauen wir doch mal auf diese heutzutage so modern gewordene Bezeichnung Mensch-Hund-Team. Würde der Hund das Wort Team für zutreffender halten als die Bezeichnung Rudel? Bilden Hunde Teams untereinander? Besteht ein Team laut Duden nicht gar immer aus Personen? Und wenn wir da schon ein Auge zudrücken, werden Teams nicht immer nur temporär und zum Erreichen irgendwelcher Ziele gebildet? Den Begriff können wir also ebenso hinterfragen.

Natürlich werden wir, mein Hund Sharik und ich, temporär auch mal zu einem Team. Wenn ein Leckerlie irgendwo unterm Schrank verschwindet, dann schiebe ich vor und Sharik holt es mit der Pfote zum Schluss raus. Oder wenn wir draußen Free Agility machen. Oder wenn fremde Kids über das Tor klettern und bei uns im Hof die Krimübernahme nachspielen. Dann lasse ich Sharik schon mal vom Balkon aus ankündigend bellen, ziehe ihm einen Maulkorb an, obwohl er keiner Fliege was zuleide tun kann, und gehe mit ihm gemütlich die Feuertreppe runter. Dann sage ich zu den Radaukids nur: "Kinders, raus ... oder Hund?" Dann ist für Tage Ruhe im Stall. Dann agierten wir als Team. Temporär.

Also: Lasst uns doch das erste gemischte Rudel sein. Menschen und Hunde, ein großartiges zwischenartliches Rudel. Aber ohne Erziehungsmethoden, die dieser tollen Gemeinschaft mehr schaden als nützen. Und seien wir dabei keine Rudelführer, die andere Mitglieder dominieren und selbstherrlich bestimmen, wo es lang geht. Sondern Rudelleiter, die maximale Freiheit für jedes Rudelmitglied anstreben aber zum Wohle der gesamten Gemeinschaft und deren Umwelt auf die Einhaltung bestimmter Regeln und Grenzen bestehen müssen und sie, wenn nötig, respektvoll und angemessen durchsetzen.

Euer Rudelleiter
Irek


1 Ich nenne weder die Autorin des Zitats noch die Seite selbst, weil die sich dort befindende Rubrik „Märchenstunde“ schon etliche Magendrehungen bei mir verursacht hat. Weder möchte ich solche Seiten empfehlen, noch darauf verlinken aber diese auch nicht durch Nennung schlecht machen.

1 Kommentar:

  1. Evelyn Buchholz-Dassen29. Juli 2014 um 16:38

    Ach, endlich mal jemand, der sich von dieser unsäglichen Diskussion um die Definition Rudel nicht verunsichern lässt....

    ICH lebe im Rudel mit mehreren nicht verwandten Hunden - seit 20 Jahren mit naturgemäßen "Zu- und Abgängen". Wir Rudelmitglieder kümmern um uns untereinander, wenn es einem von uns schlecht geht oder wenn es mal einen Streit gibt usw. JA, WIR - denn wir sind eine Familie, zwar Adoptivfamilie, also nicht verwandt, und sogar artübergreifend, aber wir gehören zusammen, sind buchstäblich auch zusammengewachsen!

    Meine kleine tibetische Hündin "Bibi" ist die Rudelführerin bei ihren Artgenossen - ich aber bin die Rudelführerin von allen. Was macht denn so einen Rudelführer aus? Er/Sie ist der/diejenige, die das Rudel durch das Leben mit seinen Gefahren und Problemen führen kann und deswegen auch sein/ihr letztes Wort im Zweifelsfall gilt. Die Bibi schlichtet den Streit zwischen den Rüden, weist zurecht, beschwichtigt aber auch, ja, sie setzt sogar meine Anweisung durch, wenn sie nicht sofort von dem Angesprochenen befolgt wird!

    Wir schmusen miteinander (ja, auch auf Couch oder Bett nach meiner Einladung bzw. Antwort auf Anfrage), wir haben Spiellaune, wir arbeiten zusammen IM TEAM!!!!! Meine Hunde dürfen Widerworte haben, meine Hunde dürfen in der Arbeit intelligenten Ungehorsam zeigen, sie dürfen mitdenken, selbständig denken!!! Das fördere ich vom ersten Tag schon beim Welpen, der zu uns kommt - ohne Klicker, und ohne einen Zweifel aufkommen zu lassen, dass ICH im Zweifelsfall entscheide und dass diese Entscheidung zu respektieren ist. Dabei bleiben meine Hunde und ich im Dialog - und ich folge ihren Hinweisen, was in der (Menschen-) Therapie sehr wichtig ist.

    Wir sind ein Rudel und wir sind ein Team - EINFACH HERRLICH!

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