Donnerstag, 20. März 2014

Kommunizieren statt Konditionieren - geht das überhaupt?



Gestern machte ich einen Beitrag in einem fremden Blog zum Thema Rudelstellungen. Freundlich aber nicht unkritisch. Dort warf man mir kurz daraufhin vor, nachdem sich die Betreiberin meine Homepage angeschaut hatte, ich würde bzgl. des Kommunizierens und Konditionierens „in der Sache nicht die volle Ahnung“ haben. Die Autorin gab dazu drei Artikel an, die das belegen sollten:


Artikel 2 von Mirjam Aulbach (vermute ich): http://cavecani.de/wissenswertes/konditionieren-vs-kommunizieren/


Diese Aussage war Anlass einer Diskussion:
Weiß ich denn, wovon ich da rede? Natürlich.

Ich zeige in diesem Blogbeitrag, dass ich sehr wohl weiß, wovon ich spreche und zumindest die sachlich einwandfreien Ausführungen in diesen Artikeln mit meiner Vorgehensweise im Einklang stehen. Beginnen wir aber ganz woanders.

Als 2013 die erste Staffel von „die Hundeflüsterin“ mit Maike Maja Nowak im TV zu sehen war, war sich die ideologisch festgelegte Szene der pV-Puristen (Hundehalter  und -trainer, die größtenteils mittels positiver Verstärkung arbeiten und dies als die einzig richtige hundegerechte Methodik bezeichnen) einig: Das geht gar nicht. Da war eine Frau im öffentlichen versehen zu sehen, die mit Körpersprache anstatt mit pV (positiver Verstärkung) arbeitete. Natürlich wurde diese Methodik von Anfang an als Bedrohung und Verunsicherung der Hunde verurteilt. Aber mit solchen pauschalen Verurteilungen mochte man sich nicht zufrieden geben. Frau Nowaks Aussagen und Vorgehensweisen wurden durch die Hundeszene analysiert und es wurde nach konkreten Angriffsmöglichkeiten gesucht. Solche fand man in der Praxis beim Fall des Hundes Marcy, wo man Nowak tierschutzrelevante Tierquälerei vorwarf. Es wurde eine Petition und dann eine Gegenpetition gestartet. Der ganz normale Hundeszenewahnsinn. Hundeszene as usual möchte man sagen. Ich habe die im Fernsehen gezeigten Szenen eine nach der anderen analysiert und fand keine unangemessene Handlung vor. Der Hund lag später nicht im Geringsten eingeschüchtert sondern entspannt und aufmerksam  neben Frau Nowak. Aber Gewalt liegt in der Hundeszene ja im Auge des Betrachters.

Marcy, nach der als tierschutzrelevant bezeichneten Aktion. Sie steht
direkt neben Frau Nowak. Angst? Furcht? Unbehaben? Sehe ich nicht.

Bzgl. der Aussagen von Frau Nowak stürzte man sich gleich massenweise auf ihr Statement „Ich konditioniere nicht, ich kommuniziere“. Ein gefundenes Fressen für ideologisch Blinde, um Frau Nowak Inkompetenz und mangelndes Fachwissen nachzuweisen. Meine Aussage ist eine etwas andere:

Ich konditioniere zwar auch. Vorrangig aber kommuniziere ich mit den Hunden.

Doch sie ist ähnlich genug, dass meine Argumentation sowohl für mich als auch für Frau Nowak gelten dürfte.

In der Tat hat Martina Schoppe Recht: Man bringt durch pure Kommunikation dem Hund nichts bei. Möchte ich das? Die Antwort ist eindeutig: Ja, ich möchte dem Hund beim Kommunizieren nichts explizit beibringen. Allerdings hinkt der Vergleich, den Schoppe bringt, nicht nur, sondern sitzt schon im Rollstuhl. Anstatt die Situation mit einem Arbeitskollegen zu schildern, der eingearbeitet werden soll und man ihm täglich alles aufs Neue erzählt, wäre eine andere Szene treffender: man fragt den Mitarbeiter täglich in der Mittagszeit, ob dieser mit essen kommt anstatt ihm einmal mitzuteilen, dass er gegen 12 Uhr (Schlüsselreiz) vor den Aufzug rauskommen sollte (Handlung), wenn er mitgehen möchte. Kommunizieren statt Konditionieren. So wird ein Schuh daraus.


Marcy mit Frau Nowak. Sie liegt sogar auf ihren Pfoten,
Kopf auf dem Boden. Wenn das keine Entspannung zeigt, was dann?

Meine Vorgehensweise widerspricht also dem Artikel 1 gar nicht. Ich tausche mich mit einem Hund aus anstatt ihm etwas beizubringen. Betrachten wir aber die unschöne Methodik, mit der Schoppe hier vorgeht. Sie pauschalisiert. Ein typisches Mittel, um andere Vorgehensweisen schlecht zu machen. Ich zumindest konditioniere ebenfalls, wie man meiner Aussage entnehmen kann. Natürlich möchte ich auch Hunden etwas beibringen. Wenn es sinnvoll ist, dass Verhaltensweisen abgerufen werden können. Aber eben nicht immer.

Dennoch ist nichts anzuwenden gegen eine Hundehaltung, bei der immer nur über Kommunikation ein Verhalten der Hunde erreicht wird. Das darf doch jedem Hundehalter und –trainer überlassen werden. Es schadet den Hunden ja nicht zwangsläufig.

Artikel 2 und 3 sind ähnlich, wobei 2 bis auf wenige Stellen fundiert und sachlich bleibt, während der Artikel von Viviane Theby am Ende so unsachlich und ideologisch gefärbt wird, dass ich die Autorin insgesamt nicht ernst nehmen kann. Die Kernaussage ist dabei: Hunde lernen doch immer. Sie können gar nicht nicht lernen. Also kann man auch nicht kommunizieren ohne dass die Hunde lernen.

Diese Aussage ist zunächst einmal erneut richtig. Hier verwenden die Autorinnen ein weiteres unschönes Mittel, um Andersdenkende als inkompetent darzustellen: subtile Wortklauberei, die unserem täglichen Umgang miteinander und dem Gebrauch der Worte nicht gerecht wird. Lernen wir als Menschen nicht ebenfalls immer? Können wir etwas erleben, kommunizieren, und dabei nicht lernen? Die Antwort ist dieselbe wie bei den Hunden: Nein, können wir nicht. Auch bei uns arbeitet das Gehirn permanent und entwickelt sich entsprechend. Würden Sie aber behaupten, dass der Bäcker im Gespräch mit Ihnen oder die Freundin beim Telefonieren sie permanent etwas lehrt? Oder würden Sie sagen, man unterhält sich eben. Und ja, implizit findet dabei natürlich auch Lernen statt.

Was für uns gilt, darf und muss doch auch für unsere Hunde gelten: Ich kommuniziere mit ihnen vorrangig und implizit lernen sie selbstverständlich immer dabei. Aber ich bin nicht immer auf das Lernen aus, wenn ich kommuniziere. Und konditioniere daher nur manchmal explizit, indem ich neutrale Reize bewusst in Schlüsselreize umwandle. Andernfalls tausche ich mich
mit Hunden lediglich aus.
 
Diese naheliegende Erklärung ist sicherlich auch den Autorinnen bewusst. Aber sie lassen sie absichtlich (oder fahrlässig?) außer Acht, um die eigene Ideologie zu stärken, indem sie bei einer anderen angebliche Schwachstellen aufzeigen.


Fazit 

Ich habe (zumindest) in dieser Sache „die volle Ahnung“ und kommuniziere mit Hunden weitestgehend körpersprachlich, ohne diese (bis auf sehr seltene Fälle) zu bedrohen. Sie lernen dabei sicherlich immer, aber eine explizite Konditionierung findet nicht statt. Daneben konditioniere ich explizit. Meine Aussage passt. Dazu stehe ich.



Anmerkung: Wir müssen sehr aufpassen, wenn wir Artikel lesen, dass man uns nicht auf subtile Weise manipuliert. Artikel 2 zeigt uns, wie es geht: sachlich, gründlich, schön aufbereitet, fundiert. Und dann kommt der Satz:

Wer sagt “Ich erziehe [...] Hunde nicht über Konditionierung” trifft eine deutliche Aussage [...]:  “Ich habe nicht den kleinsten Schimmer davon, wie Hunde lernen.”

Und dieser Satz ist sogar nachvollziehbar. Der springende Punkt hierbei ist: ich behaupte gar nicht, dass Erziehung eines Hundes nur über Kommunikation und ohne eine Konditionierung erfolgen kann. Aber der Satz erweckt genau diesen Anschein. Das nennt man (subtile) Manipulation (die Autorin wird es, das vermute ich, gar nicht bewusst getan haben).

Bei Artikel 3 kommt die Autorin von Kommunizieren und Konditionieren zu Bedrohen und zu Scherz- und Schreckreizen. Hier scheint Viviane Theby nichts peinlich zu sein, um sich abzugrenzen und andere Methoden mit Schreckbildern zu verknüpfen. Das ist die Art von Vorgehensweise, der ich mit Verachtung begegne. Besonders dreist ist, dass sie bei einer solchen eigenen Propaganda (das Wort benutzt sie selbst) beklagt, durch die kommunizierenden Trainer hätten konditionierende Trainer das Nachsehen: man würde sie abfällig als solche darstellen, die Hunde belohnen (= bestechen). Man kann sich die Welt auch so zurechtreden wie man sie gerne sehen will: Durch die eigene ideologische Brille.


4 Kommentare:

  1. Meines Erachtens ein Blog Highlight von dir. Wieder mal ein Thema das in der Hundeszene sehr kontrovers diskutiert wird, nur um sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben. Du hast die Eckpunkte kurz und knackig auf den Punkt gebracht und wieder einmal sieht man (ein klein wenig Objektivität vorausgesetzt) das die Wahrheit nicht in einem der Extremen, sondern in der nähe der Mitte angesiedelt ist.

    Was es sehr gut auf den Punkt gebracht hat ist mE folgendes (leicht abgeändert): Ich konditioniere nicht gewollt, sondern ich tausche mich mit dem Hund aus. Macht jeder täglich tausendmal mit seinem Hund oder anderen Menschen und es muß dabei auch nicht zwingend ein Konflikt vorliegen.

    In Ö gibt es beispielsweise einen mehr oder minder bekannten Trainer, dessen Slogan lautet "Kommunizieren statt Trainieren". Wenn man den Slogan jetzt wieder im Einzelnen zerpflücken würde, wäre der Satz ganz grundsätzlich falsch. Denkt man sich jedoch dazu, dass ganz einfach gewollt ist vordergründig zu kommunizieren (sich auszutauschen) macht es schon wieder viel mehr Sinn. Spannend und irrwitzig zugleich ist, dass dieser Satz von beiden Extremen für Propagandazwecke benutzt werden kann. Einfach traumhaft.

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  2. Hey danke, anonymer Manuel ;-). Nach diesem Artikel und meiner Argumentation sind aber die pV-Puristen sehr still geworden. Ich vermute mal, sie haben eingesehen, dass die hier genannten Argument schlecht zu widerlegen sind :-D. Böse Zungen nennen das dann rhetorisches Geschick. Als ob dieser etwas Schlechtes wäre oder Tatsachen ändern könnte.

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  3. "Und konditioniere dabei nicht immer explizit, indem ich neutrale Reize bewusst in Schlüsselreize umwandle"
    hmm ... ^^

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  4. Diesen mißverständlichen Satz habe ich geändert. ;-) Danke.

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