Samstag, 4. Januar 2014

Rezension "Leinenaggressionen" von Clarissa von Reinhardt

Sehr gute Lösungen, Buch hat jedoch auch Schwächen


Meine Bewertung:

Clarissa von Reinhardt gehört zu den Trainerinnen, die sich vollkommen der positiven Verstärkung (pV) verschrieben haben. Dafür steht ja auch der Verlag „Animal Learn“. Insider der Szene wissen das ja. Ich schaue mir solche Bücher, die einer Ideologie folgen, besonders kritisch an.

Das Buch ist mit seinen knapp 70 Seiten recht kompakt. Die Autorin erläutert zunächst, was Leinenaggression überhaupt ist und wie sie sich von einer allgemeinen Aggression unterscheidet. Anschließend zählt sie verschiedene Ursachen von Leinenaggressionen auf und gibt dafür Beispiele an. Den (für mich) ersten Teil des Buches schließt sie damit ab, dass sie Hilfsmittel bewertet und empfiehlt oder deren Schwächen aufzeigt.

Den zweiten Teil Ihres Buches (ab Seite 37) beginnt sie damit, dass sie für die anschließenden Lösungen eine grundsätzlich gute Leinenführigkeit (ohne die Reizobjekte, die eine Aggression auslösen) voraussetzt und anschaulich in kleinen Schritten, wie man eine solche aufbaut. Dann beschreibt sie, ebenfalls sehr anschaulich, zwei sanfte Methoden des Aggressionsabbaus: Sukzessive Approximation und, so würde ich es nennen, rückwärtige Leinenakzeptanz. Sie ergänzt die Methoden um viele allgemeine Tipps und geht dabei ebenfalls auf den notwendigen mentalen und emotionalen Zustand des Trainers / Hundehalters bei der Durchführung der beiden Trainingsvarianten und der daraus resultierenden Kommunikation mit dem Hund.

So weit so gut. Ein Manko dieses Buches ist, dass die Autorin 9 Seiten lang die Probleme und negative Folgen bei dem Einsatz von Sprühbändern erläutert. Das sind fast 15% des kurzen Buches. Verständlich wird es dadurch, dass die Erstauflage wohl 2008 stattfand, als auf VOX die Hundenanny Katja Geb-Mann Hunde teilweise mit eben solchen Sprühbändern behandelte. Der Autorin wird es ein Anliegen gewesen sein, die Kontraproduktivität und die Gefahren dieser Geräte aufzuzeigen. Verständlich zwar, aus der heutigen Sicht der Abschnitt in dieser Ausführlichkeit in einem schlechten Verhältnis zum Gesamtinhalt und Hauptthematik des Buches. Am Ende wird vor den TV-Hundenannys noch einmal eindringlich gewarnt. Nachdem bei uns mittlerweile auch VS (Stilwell) und MR (Rütter), zwei Hundeexperten, die fast ausschließlich mit positiver Verstärkung arbeiten, ausgestrahlt wurden, müsste diese Warnung zumindest neu formuliert werden. Ansonsten sei anzumerken, dass auf Seite 49 von einer Korrektur gesprochen wird, ohne sie zu erläutern (wobei das Wort „Korrektur“ nicht so ganz in das Vokabular des pV-Trainings passt).


Ergänzende Tipps

Seite 43: Die hier erwähnte leitende Handbewegung, die ich hervorragend finde, sollten Sie bereits ohne Leine in reizarmer Umgebung, z.B. daheim, eine Weile einüben, damit sie dem Hund bekannt ist, bevor Sie diese draußen einsetzen.

Seite 56: Zu dem hier beschriebenen Bogen sei gesagt, dass sowohl dieser als auch der gesamte Trainingsfortschritt durch die Qualität der Beziehung (Stichwort Vertrauen / Schutz / Sicherheit) zwischen Ihnen und ihrem Hund extrem positiv beeinflusst werden kann. Damit ist jedoch nicht sein Vertrauen bei Streicheleinheiten gemeint (was Hundehalter oft annehmen) sondern, inwiefern er gelernt hat, dass er sich in für IHN kritischen Situationen auf Ihr Urteil und Ihre Leitung verlassen kann.

Seite 57: Hier sollte man damit starten, dass Sie dem anderen Hund folgen, keinesfalls umgekehrt. So kann Ihr Hund den vor ihm laufenden Artgenossen sowohl olfaktorisch als auch visuell wahrnehmen (= riechen und sehen) und sich an ihn gewöhnen. Umgekehrt mag die Situation trotz eines Abstands beunruhigend sein und den Stresspegel ihres Hundes unnötig erhöhen.

Ansonsten sei hier noch der allgemeine Tipp erwähnt, die Leine bei einer Begegnung einfach mal loszulassen, kurz bevor sie sich anspannt, sofern es die Umgebung erlaubt, um einen Trainingsrückfall zu vermeiden.

1 Kommentar:

  1. vielen Dank für die Rezessionen :-) mir gefällt Ihre Art des Schreibens bzw. des Rezensierens.

    Habe letztens gerade eine Folge der Ursprungsstaffel von MR gesehen (ein Couch für alle Felle). Da wurde noch mit Sprühhalsband gearbeitet und er setzt ja auch heute noch Korrekturen wie Wasser spritzen ein. Das größte Problem ist dabei, denke ich, dass es von vielen Leuten "einfach mal so nachgemacht wird", ohne die individuelle Situation zu sehen. da kann eine in der einen Situation hilfreiche Korrektur auch völlig nach hinten los gehen...

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